Pfarrgemeinde als Ort gelebter Gemeinschaft

In unserer Kirche ist die Pfarrei der gewohnte Ort, um Gemeinschaft im Glauben zu erleben. Jedoch fragen sich heute viele Engagierte in der Kirche: Wie können wir als Pfarrei neu lernen, unseren Glauben zu leben und zu teilen, damit Menschen tatsächlich diese Erfahrung machen können und Heimat im Glauben finden? Über die Situation unserer Pfarreien im Bistum Passau hat sich Domkapitular Anton Spreitzer Gedanken gemacht, die er hier mit uns teilt.

In unserem Bistum ist die Pfarrei nach wie vor der Ort, wo die Menschen ihren Glauben in Gemeinschaft leben und feiern, wo Kirche konkret erfahrbar wird. Jugend und Alter, Gesundheit und Krankheit, Geburt und Tod, Freude und Leid, Jubel und Trauer – das alles suchen Menschen nach wie vor häufig in den Ritualen der Kirche zu feiern. Sicherlich ist vieles dabei zur Routine geworden. Manchmal hat man als Pfarrer den Eindruck, da werde nur noch eine Dienstleistung der Kirche abgefragt, aber der, der eigentlich wirksam ist, Jesus Christus, steht irgendwo ganz weit im Hintergrund. Ich bin der Ansicht, dass der Gedanke, Glaube habe etwas mit gelebter Beziehung – und damit mit allem, was zu einer guten Beziehung dazugehört: Treue, Zeit füreinander, Vertrauen usw. – zu tun, heute auch bei uns vielen Menschen fremd ist. Teilweise deshalb, weil eine solche Erfahrung in früheren Formen von Verkündigung und Katechese überhaupt nicht erwünscht war; teilweise aber auch deshalb, weil Beziehungen immer auch etwas von einem fordern – und dagegen steht eine eigenartige Trägheit, die sich über viele Bereiche in unserem leiblichen wie seelischen Leben gelegt hat. Nicht wenige, die sich in den Pfarreien engagieren, von den Ehrenamtlichen bis zu den Pfarrern und pastoralen Diensten, sind deshalb häufig frustriert und ohne Zukunftsperspektive.

Ich bin allerdings überzeugt, dass das nicht die einzige Option ist. Man muss kein blinder Wunschträumer sein, um unseren Pfarreien, um der Kirche bei uns eine Chance für die Zukunft zu geben. Das einzige, dessen es heute bedarf, ist Vertrauen in die Gegenwart und Wirksamkeit des Heiligen Geistes in ALLEN Gläubigen; und die Bereitschaft, selber bei sich anzufangen und zu fragen, was er/sie mit den eigenen Talenten tun kann, damit die eigene Pfarrei lebendig und geistvoll ist (oder wird).

Bei meiner Teilnahme an einer Konferenz in einer Pfarrei in Halifax in Kanada im Juni 2016 habe ich erleben dürfen, dass Pfarreien dieses verborgene Potential auch tatsächlich nutzen können. Eine andere Art von Pfarrei, eine kraftvolle, lebendige, geistliche Pfarrei – das ist kein Wunschtraum, das ist eine reale Möglichkeit. Auch bei uns! Wir müssen nicht zaubern; wir müssen auch nicht die Welt völlig verändern, um Dinge zu erneuern. Es ist mehr als genug, wenn wir selbst anfangen, unsere Art zu glauben vielleicht anders als bisher zu leben: offener, überzeugter, selbstbewusster, geistlicher, tätiger, christuszentrierter, geistgetränkter, beziehungsreicher, biblischer, nachdenklicher usw. Ganz so, wie Papst Franziskus in seinem Text Evangelii gaudium geschrieben hat: „Die Pfarrei ist keine hinfällige Struktur; gerade weil sie eine große Formbarkeit besitzt, kann sie ganz verschiedene Formen annehmen, die die innere Beweglichkeit und die missionarische Kreativität des Pfarrers und der Gemeinde erfordern“ (Nr. 28).

Ich bin überzeugt, dass bei uns noch vieles möglich ist; dass das meiste wahrscheinlich sogar noch tief verborgen liegt – nicht irgendwo, sondern in uns, den gläubigen Menschen! Und ich bin absolut zuversichtlich, dass die gut 30 Jahre, die ich als Priester – so Gott will – noch im Dienst der Kirche wirken darf, eine spannende Zeit sein werden, in der heute Ungeahntes Wirklichkeit werden wird, in welcher Form auch immer. Aber ganz sicher gilt auch heute, was Jesus schon damals den Menschen ermutigend zugerufen hat: „Alles kann, wer glaubt!“ (Mk 9,23).

„Obwohl sie sicherlich nicht die einzige evangelisierende Einrichtung ist, wird sie [die Pfarrei], wenn sie fähig ist, sich ständig zu erneuern und anzupassen, weiterhin ‚die Kirche [sein], die inmitten der Häuser ihrer Söhne und Töchter lebt‘. Das setzt voraus, dass sie wirklich in Kontakt mit den Familien und dem Leben des Volkes steht und nicht eine weitschweifige, von den Leuten getrennte Struktur oder eine Gruppe von Auserwählten wird, die sich selbst betrachten.
Die Pfarrei ist eine kirchliche Präsenz im Territorium, ein Bereich des Hörens des Wortes Gottes, des Wachstums des christlichen Lebens, des Dialogs, der Verkündigung, der großherzigen Nächstenliebe, der Anbetung und der liturgischen Feier. Durch all ihre Aktivitäten ermutigt und formt die Pfarrei ihre Mitglieder, damit sie aktiv Handelnde in der Evangelisierung sind. Sie ist eine Gemeinde der Gemeinschaft, ein Heiligtum, wo die Durstigen zum Trinken kommen, um ihren Weg fortzusetzen, und ein Zentrum ständiger missionarischer Aussendung. Wir müssen jedoch zugeben, dass der Aufruf zur Überprüfung und zur Erneuerung der Pfarreien noch nicht genügend gefruchtet hat, damit sie noch näher bei den Menschen sind, Bereiche lebendiger Gemeinschaft und Teilnahme bilden und sich völlig auf die Mission ausrichten.“Papst Franziskus in Evangelii Gaudium, Nr. 28

Vortrag von Pfarrer Anton Spreitzer

Beim Studientag zur Neuevangelisierung sprach Pfarrer Anton Spreitzer
über seine Erfahrungen aus der Pfarrei St. Benedict in Halifax, Kanada.

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Studientag zur Neuevangelisierung 2017 Vortrag 2 Pfarrer Anton Spreitzer from Pressestelle Bistum Passau on Vimeo.